Im Ländervergleich — KI Innovation Hot Spots — Folge 1: Schweden
Denkt man an künstliche Intelligenz sowie Innovationen und wirft einen Blick auf den Globus, würde man diese geographisch wohl erst einmal in Kalifornien oder China verorten. Die Vereinigten Staaten und das Reich der Mitte haben bisher ganz klar die Nase vorn. Doch auch anderorts auf der Welt entstehen große Potenziale und Player, die in den nächsten Jahren stark mitmischen werden. Im Norden Europas schlummert ein KI-Superstar: Schweden.
Lesen Sie, wie sich das Land strategisch aufgestellt hat, warum es seit Jahren einen der vorderen Plätze des Innovationsrankings belegt und welche Rolle Unternehmertum für die Schweden spielt.
Strategische Ausrichtung des Landes
Bereits in den 90er Jahren verabschiedete die IT-Kommission der schwedischen Regierung eine erste Digitalstrategie und setzte diese stringent um. Das Königreich Schweden ist Deutschland daher in Sachen Digitalisierung etwa zehn Jahre voraus. Besonders in den Bereichen Netzausbau, E-Health und E-Government sind die Schweden stark. Es gibt flächendeckend eine elektronische Patientenakte. Beinahe jede Behörde hat eine Applikation, über welche die Bürger einfach und schnell mit ihnen in Kontakt treten kann. Schulen sind digital extrem gut ausgestattet und den Schweden ist Bargeld mittlerweile fast schon fremd. In einer Studie aus dem Jahr 2018 gaben nur noch 13 Prozent der Befragten an, ab und zu Bargeld zu nutzen. Mit der E-Krona will das Land sogar eine eigene Kryptowährung testen.
Im Jahr 2017 hat Schweden seine Digitalisierungsstrategie aktualisiert. Im Jahr 2018 folgte der National Approach in AI, das Pendant zur deutschen KI-Strategie. Dabei fokussiert sich das Land vor allem darauf, digitale Kompetenzen im Bildungs- und öffentlichen Sektor aufzubauen.
Die Förderung der Aus- und Weiterbildung im Bereich KI wird durch die nationale Initiative AI Competence for Sweden angeleitet. Die gesamte Strategie zeichnet das Bild einer Technologie, die zum Wohle der Gesellschaft und einem nachhaltigeren Leben eingesetzt wird. Dafür gilt es ethische und soziale Fragen zu klären sowie Standards und Normen für künstliche Intelligenz festzulegen. In diesem Sinne ähneln sich die Strategien von Deutschland und Schweden stark. Ein Unterschied zwischen den Strategien sind die geplanten Einsatzgebiete der Technologie.
Eine Studie der Deutsch-Schwedischen Handelskammer zeigt, das schwedische Unternehmen die größten Potenziale künstlicher Intelligenz im Vertrieb, Marketing, Kundenservice und der Produktentwicklung sehen. Deutsche Unternehmen hingegen sehen die Vorteile vorrangig für die Fertigung und die Distribution.
Instrumente der Innovation
Deutschland hat den Digitalrat der Bundesregierung, Schweden hat den nationalen Innovationsrat. Unter Leitung von Ministerpräsident Löfven arbeiten Regierung, Verbände, Gewerkschaften und Wissenschaft an einer langfristigen Innovationspolitik. Regierungsunabhängig setzt sich der Swedish AI Concil für nachhaltige Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz ein. Experten aus der Industrie und dem universitären Umfeld bauen die KI-Strategie weiter aus, motivieren Unternehmen und Institutionen zum Einsatz der Technologie und beleben den Diskurs.
Eine besondere Rolle im Innovationsmanagement des Landes spielt die schwedische Innovationsagentur Vinnova. Die Agentur ist eine staatliche Organisation, die dem “Ministry of Enterprise and Innovation” angehört. Ihre Aufgabe ist es, Forschung und Innovationen in Schweden zu fördern, um das Land in den Bereichen Wissenschaft und Entrepreneurship als globalen Player zu etablieren.
Vinnova ist selbst an Innovationsprojekten beteiligt und stellt Fördergelder für Initiativen und Unternehmen zur Verfügung. Jährlich investiert die Institution 300 Millionen Euro in Innovationsprojekte. Für die nächsten zehn Jahre sind etwa 100 Millionen Euro ausschließlich für KI-Forschung reserviert. Neben finanzieller Förderung unterstützt die Agentur durch die Vernetzung von Wirtschaft, Forschung, Staat und Zivilgesellschaft den Fortschritt der Technologie.
Spitze in der Forschung
Lange belegten die Schweden im Innovationsranking den ersten Platz. Im Jahr 2019 wurden sie von der Schweiz verdrängt, bleiben ihnen aber auf Platz zwei knapp auf den Fersen.
Ein Aspekt, der die Schweden so innovativ macht, ist die soeben geschilderte leistungsfähige staatliche Förderung für Forschung. Wissenschaft spielt für das Königreich eine große Rolle. Mit 3,3 Prozent hat Schweden die höchste Forschungsquote in der europäischen Union.
Es gibt drei staatliche Forschungseinrichtungen, die sich ausschließlich mit künstlicher Intelligenz befassen: das AI Sustainability Center, das nationale Zentrum für angewandte KI-Forschung und Innovation sowie AI Innovation of Sweden. Ein privatfinanziertes Forschungsprogramm, das außerdem hervorzuheben ist: Wallenberg Artificial Intelligence, Autonomous Systems & Software Program (WASP). Die Initiative verbindet das Knowhow der sieben führenden nationalen Hochschulen und der schwedischen Industrie. Die Forschungsschwerpunkte liegen auf der Mensch-Maschine-Interaktion mit künstlicher Intelligenz und autonomen Systemen.
Eine der erfolgreichsten Start-up-Szenen der Welt
Die schwedische Start-up-Szene ist eine der erfolgreichsten in Europa. Besonders stark ist die Hauptstadt des Landes. Die britische Financial Times bezeichnete Stockholm als “Unicorn Factory”. Als “Unicorns” werden junge Unternehmen bezeichnet, deren Firmenwert auf über eine Milliarden US-Dollar eingeschätzt wird. Stockholm hat nach dem Silicon Valley das höchste Unicorn-pro-Kopf-Verhältnis der Welt.
Unternehmertum ist für die Schweden ein hohes Gut und wird bereits in der Schulbildung berücksichtigt. Auf 1000 Beschäftigte in Schweden kommen zurzeit 20 Start-ups. In den USA sind es grade einmal fünf Start-ups auf 1000 Arbeitnehmer — und das trotz Silicon Valley. Das liegt auf der einen Seite an der schwedischen Innovationsagentur, die Gründer mit Infrastruktur, Technologie und Krediten aktiv fördert. Auf der anderen Seite sind die Technnologieparks Nährboden für junge Unternehmen. Insgesamt gibt es in Schweden 30 dieser Arbeitsstätten, in denen Wirtschaft, Wissenschaft und Investoren eng mit der Start-up-Szene zusammenarbeiten. Aus diesen Start-ups ist schon der ein oder andere Großkonzern gewachsen, wie beispielsweise Spotify oder Klarna. Das Land ist gründerfreundlich und bereit für die Digitalisierung. Das zeigt auch ein Ranking des Weltwirtschaftsforums. Hinter Singapur und Finnland wird die Nation als eines der Länder mit der höchsten Digitalisierungsbereitschaft eingestuft.
Ausblick
Trotz der guten Ausgangslage, die das Land im letzten Jahrzehnt geschaffen hat, muss Schweden noch einige Aufgaben meistern: Wie auch in Deutschland ist der Mangel an Fachkräften ein wachsendes Problem. Schweden fehlt außerdem der Mittelstand. Die Unternehmenslandschaft setzt sich aus Großkonzernen und einer Vielzahl an Kleinstunternehmen zusammen. Insgesamt 95 Prozent der Unternehmen in Schweden sind Kleinstfirmen. Damit diese die innovativen Vorhaben des Landes tragen können, muss ihnen günstiger Zugang zu neuen Technologien ermöglicht werden.
Doch die Experten sehen eine rosige Zukunft für das Land im Norden Europas. Die Strategieberatung Accenture prognostiziert bis zum Jahr 2035 einen Produktivitätszuwachs von 37 Prozent in Schweden — dank künstlicher Intelligenz! Das Fraunhofer Institut für Produktionstechnologie sieht in Schweden den perfekten Testmarkt. Nicht nur die technikaffine Bevölkerung, auch die Arbeitskultur der Schweden seien der perfekte Nährboden für Innovation. Was in Schweden funktioniert, könne man auf Europa ausbreiten.
Es bleibt spannend, ob weitere große schwedische Namen den europäischen und den Weltmarkt erobern werden. Sind die guten KI-Produkte schon bald “Made in Sweden”?
Was macht Schweden zum KI Hotspot?
- Bereits in den 90er Jahren Digitalstrategie veröffentlicht und umgesetzt
- Gute staatliche Forschungsförderung und Innovationsinstitutionen
- Vielzahl an Forschungszentren und Technologieparks
- Unternehmertum hat hohen Stellenwert
- Erfolgreiche und vielfältige Start-up-Szene
- Hohe Digitalisierungsbereitschaft in der Bevölkerung